Go und Ju - Hart und weich

Im heutigen Karate, vor allem in unseren westlichen Sphären, kann man einen klaren Trend beobachten. Es ist hart. Verdammt hart sogar. Oder sollte ich noch besser „steif“ sagen?

Das Karate, einst eine Kunst die auch im hohen Alter betrieben werden konnte, hat sich in den meisten Dojo seiner weichen, geschmeidigen Art entledigt. Bei meinem ersten Trainingsaufenthalt in Okinawa wurde ich damit direkt konfrontiert. Zu Beginn meiner Einzelstunde bat Hokama Sensei mich, ihm eine Kata nach Wahl zu demonstrieren.  Meine Wahl fiel auf die Naihanchi. Als ich die Kata beendet hatte, sah Sensei mich eine Weile an, und kommentierte dann mit „Very Strong! Your Hammer punch is perfect! Now I´ll show you Water punch.“.  Mit diesen Worten trat er vor mich, und zeigte mir die geschmeidigste, flüssigste und vor allem auch schnellste Naihanchi, die ich je gesehen hatte. Nach dem Training saßen wir wie üblich bei einer Tasse Tee und langen Gesprächen zusammen. Hokama Sensei erklärte mir, dass das harte, starke Karate ein wichtiger Bestandteil in der Entwicklung von jungen Karateka sei. Ihr Körper sucht nach dieser Herausforderung, und ist auf Grund ihres Alters auch bestens dazu geeignet, diese harte Art des Trainings zu kompensieren.


Mit den Jahren ändert sich allerdings unser Körper, und die harte Art und Weise führt dazu, dass, weil unsere Muskeln, Sehnen, Bänder und Knochen schwächer werden, auch unser Karate schwächer wird. Außer wir finden eine Alternative, und das ist der weiche Weg.

Im „Kempo Hakku“, einem Teil des berühmten Bubishi,  finden wir eine Zeile, die auch dem Gründer des Goju Ryu, Miyagi Chojun, als Namensgeber diente:  „Hart und weich, einatmen und ausatmen“.

Kempo Hakku im Dojo des Autors

 

Heute sprechen alle von Yin und Yang, den beiden gegensätzlichen Polen, die das Leben ausmachen und in ihrer Gegensätzlichkeit die perfekte Balance bringen. Zuviel von einem, und die Waagschale gerät aus dem Gleichgewicht! Vielleicht sollte auch unser Karate Training nicht nur aus hartem, körperlichem Training bestehen, nicht nur harte und verschleißende Techniken und Bewegungsabläufe beinhalten. Vielmehr sollten wir einen Gegenpol schaffen, der sich an unser inneres wendet, und nicht nur unser äußeres stählt.

 

Jetzt höre ich schon einige Leser sagen „aber das geht doch im Karate gar nicht! Sollen wir jetzt etwa noch Tai Chi trainieren?“. NEIN!! Denn Karate ist eine Kunst, die beide Seiten hat, eine harte, und eine weiche. Und das gilt nicht nur für das Goju Ryu, sondern für jeden Stil! Es liegt an uns das zu erkennen, Trainingsmethoden zu entdecken, die es uns ermöglichen beide Welten zu kennen.

 

Ein kleines Beispiel gefällig? Einfach beim nächsten Training eine beliebige Kata locker und extrem entspannt ausführen! Aber Vorsicht! Entspannt ist (entgegen der allgemeinen Meinung) nicht identisch mit langsam. Entspannt bedeutet, dass eine Technik nicht von Anfang an mit Kraft und Muskelspannung ausgeführt wird, sondern eher wie bei einer Peitsche, erst im letzten Moment die Spannung hinzugefügt wird, um dann sofort wieder zu entspannen.

 

Eine weiter Alternative besteht darin, eine echte „weiche“ Form zu erlernen, denn auch diese gibt es im Karate. Möglichkeiten gibt es dabei genug, wie z.B. die Kata aus dem Kranich Bereich. Zu diesen gehören unter anderen Happoren, Hakucho oder Hakutsuru, um nur einige zu nennen. Dabei ist es allerdinigs ratsam, einen geeigneten Lehrer zu finden, um nicht nur den technischen Ablauf der Form zu erlernen, sondern auch die wichtigen Elemente der Spannung – Entspannung und der entsprechenden Atmung.

 

Mitglieder unserer Okinawa Karate Kobujutsu Kenkyu Kai können nun das Handbuch zur Hakucho exklusiv im Mitgliederbereich herunterladen, ein entsprechender Video zum freien download folgt in Kürze.

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