Power to the people

Power to the people!

oder wo kommt die Kraft in meinem Tsuki her?

 

Teil 1

 

Die Überschrift lässt (richtig!) vermuten, dass ich ein Fan von Pavel Tsatsouline bin, und kann im Bereich des Krafttrainings sein gleichnamiges Buch nur dringend empfehlen!

Sicher ist, dass ich mir mit diesem dreiteiligen Artikel nicht nur etwas vorgenommen habe, sondern damit sicher auch einige Kontroversen hervorrufen werde. Gut so! Wenn es mir gelingt, den ein oder anderen damit zum Nachdenken zu bringen, prima!

Also, da ich heute Nacht in den Trainingsurlaub fahre, schnell noch Teil eins veröffentlichen :-)

 

Das Thema ist ein sehr (SEEEEHHHRR!) komplexes, da es nicht nur schier unendliche Faktoren in der Entwicklung von Kraft gibt, sondern auch in der Umsetzung viele mehr oder weniger sinnvolle Varianten. Einige davon führen zum Ziel, einige sind effektiv, aber nur wenige sind tatsächlich das, was wir im Karate anstreben sollten.

In diesem ersten Teil des Artikels befassen wir uns mit den allgemeinen Grundlagen, mit den Voraussetzungen für die Entstehung einer Kraftvollen Technik und ihrer Kraftübertragung. Natürlich habe ich es mir dabei einfach gemacht, und konzentriere mich dabei auf eine einzelne Technik, dem geraden Fauststoß oder auch Tsuki. Selbstverständlich kann aber der größte Teil meiner Ausführung ebenfalls auf alle anderen Techniken umgesetzt werden. Der Fauststoß ist von daher sehr interessant, weil er nicht unbedingt Karate spezifisch ist, und auch andere Kampfstile einen geraden Schlag verwenden. Hier fällt vor allem das klassische Boxen auf, und gerade aus diesem Bereich sind hervorragende Untersuchungen zu diesem Thema angestrebt worden.

 

 

Also, wo kommt die Kraft nun her? Sehen wir uns zuerst die grundlegenden physikalischen Fakten an, bevor wir weiter in die Details gehen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit und in keiner bestimmten Reihenfolge fallen mir sofort folgende, entscheidende Faktoren ein:

 

 

·         Geschwindigkeit

 

·         Masse

 

·         Kraft (allgemein)

 

·         Timing

 

·         Technik

 

·         Balance

 

 

Es gibt sicher noch einige mehr, aber dies sind die Überbegriffe für viele kleine Unterpunkte, die wir für unsere detaillierte Ausführung benötigen.

 

 

Geschwindigkeit

 

Ich habe bewusst diesen Begriff gewählt, denn er schließt nicht nur das Tempo einer Technik ein (und ist somit der maßgebende Faktor für die Entwicklung von Kraft), sondern auch Faktoren wie Beschleunigung und Explosivität. Es ist also nicht nur wichtig wie schnell eine Technik ist, sondern wie stark sie beschleunigt wird. Im Klartext bedeutet das, dass wir unsere Techniken direkt von Anfang an zu stark wie möglich beschleunigen müssen (Explosivität) um am Ende eine maximale Wirkung erzielen zu können.

 

 

Masse

 

Natürlich geht es bei Masse in unserem Fall um das eigene Körpergewicht, das bei einer Technik zum Einsatz kommt.  Dabei ist es allerdings nicht wirklich so entscheidend, wie schwer man ist, sondern wieviel der eigenen Masse man in eine Technik transportieren kann. Hier kommt dann eben die richtige Technik und das Timing (siehe Punkt 5 und 4) in´s Spiel, aber das später.

 

Aufgrund dieser beiden wichtigsten Faktoren, ist wohl die (vereinfachte) Formel Kraft = Masse X Beschleunigung auch in den meisten Karate Dojo dieser Welt bekannt. Eine gute Erklärung für den Bereich des Karate hat Jesse Enkamp hier: http://www.karatebyjesse.com/how-to-get-power-karate-punches/

 

Auch wenn dies die beiden physikalischen – mathematischen Grundlagen sind, finde ich die folgenden Faktoren ebenfalls wichtig.

 

 

Kraft (allgemein)

 

Kraft lässt sich mit der oben genannten Formel ausrechnen, aber die Kraft von der wir hier sprechen, ist das, was man vielleicht mit „Stärke“ umschreiben könnte. Die Fähigkeit also, schweres Gewicht zu bewegen. Es dürfte unumstritten sein, dass ein stärkerer Mensch auch stärker zuschlagen kann, vorausgesetzt, er ist in der Lage, diese Stärke eben auch in die entsprechende Bewegung umzusetzen (Technik).

 

 

Timing

 

Timing, also der richtige Moment, ist in den Kampfkünsten und Kampfsportarten von entscheidender Wichtigkeit. Der richtige (bzw. der falsche) Moment kann in einem Wimpernschlag über Sieg und Niederlage entscheiden. Im Fall von Kraftentwicklung und Übertragung erhält timing aber noch eine zusätzliche Bedeutung. Zum einen geht es darum, den Gegner im richtigen Moment zu treffen, z.B. in einer Vorwärtsbewegung, und somit die auftreffende Kraft nochmal zu maximieren. Zum anderen geht es aber auch darum, die richtigen Elemente von Spannung und Entspannung zu beherrschen, und diese effektiv einzusetzen.

 

 

Technik

 

Man sagt, dass die Entwicklung der Technik den Menschen an die Spitze der Nahrungskette katapultiert hat. In den Bereich der Technik fallen im Karate viele Dinge: Die richtige Ausführung der Technik (in unserem Fall der Tsuki) unter Auswahl der richtigen „Waffe“ (die Knöchel von Zeige- und Mittelfinger z.B.), mit der richtigen Körpermechanik (Koshi, Kime, Gamaku und Chinkuchi werde ich in Teil 2 und 3 des Artikels ausführlich betrachten), in einer sinnvollen Stellung (wie z.B. Zenkutsu Dachi). All diesen „kleinen“ Details beeinflussen die zuerst genannten Faktoren von Masse und Kraft erheblich!! Daher ist es nicht weiter verwunderlich, dass unsere Lehrer auf der Perfektionierung der Technik so herum reiten.

 

 

Balance

 

Wenn es etwas gibt, das ich aus meinem Training in verschiedenen Kampfkünsten gelernt habe, dann ist es die Wichtigkeit von Balance! Warum sich dieser Punkt auf meiner Liste wieder findet, ist einfach zu erklären. Da ich im zweiten Teil des Artikels aufzeigen möchte, wie Masse und Beschleunigung beeinflusst werden kann, werden wir dort auch Dinge wie „Schwung“ und „Anlauf“ wiederfinden. Beide Faktoren können die Kraftübertragung zwar maßgeblich verbessern, sind in einer Kampfanwendung aber oftmals vollkommen unbrauchbar, weil sie den sofortigen Verlust des Gleichgewichts nach sich ziehen. Ergo ist eine gute Balance bei der Ausführung einer starken Technik von absoluter Priorität.

 

 

Zugegeben, Teil 1 war jetzt nicht so schrecklich spannend, da er sich mit den nüchternen Fakten und teilweise hinlänglich bekannten Grundlagen der Kraft beschäftigt hat. Für alle die bereits ein Physik Studium hinter sich haben: Stay tuned, denn nach meinem Urlaub geht es mit den wirklich Karate relevanten Details und einem Video weiter ;-)

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Basty Sakraschinsgy (Freitag, 13 Mai 2016 16:39)

    Hey Andree,

    ein echt schöner Artikel. Natürlich sollten diese Grundlagen jedem bekannt sein aber es ist schön sie in dieser Zusammenstellung und auf deutsch (es gibt ja leider nur wenig deutsche Kampfkunst Blogs) zu lesen.

    Auch finde ich deine Definitionen der einzelnen Begriffe sehr gelungen. Sie sind nicht so streng und klar abgegrenzt, was mich nochmal zu aktiven Nachdenken angeregt hat. Besonders die Punkte Timing (gegnerische Bewegung einbeziehen, Timing von Spannung und Entspannung), Technik (die Begriffe Koshi, Gamaku und Chinkuchi sind mir unbekannt. Hier kann ich nochmal nachforschen :-D ) und Balance (Hatte ich garnicht auf dem Schirm).

    Mach bitte weiter so !!!!