Omote und Ura

 

Omote und Ura

 

Das Konzept von Ura und Omote durchzieht die japanische Kultur, und damit seine gesellschaftliche Verhaltensweise wie auch die Kampfkünste Japans immens. Dabei bezeichnet Omoto die sichtbare, äußere Seite, wobei Ura die meist verdeckte Rückseite repräsentiert. In gesellschaftlichem Zusammenhang wird es oft als Tatemae – Honne (Tatemae 建前 Gesicht oder offizieller Standpunkt/ - Honne 音 / echte Meinung oder Absicht) bezeichnet. Natürlich tragen beinahe alle Menschen in der heutigen Zeit eine Maske, die eben über genau diese beiden Seiten verfügt, und man zeigt die meiste Zeit nur die Außenseite. Die echte, die Innenseite behält man in der Regel für enge Freunde und Familie vor, wenn überhaupt.

Nun, in Japan haben diese beiden Seiten eine alte Tradition, und so ist es nicht verwunderlich, wenn man in den Kampfkünsten oftmals über Omote und Ura stolpert, im wahrsten Sinne des Wortes. Denn gerade durch diese beiden Sichten, diese beiden Welten und vor allem diese beiden Wahrheiten ergibt sich für den Schüler des Budo ein völlig verdrehtes, verzerrtes und manchmal bizarres Bild des Budo. Und genauso wie sich ein japanische Meister nicht in die Karten blicken lässt, wenn es z.B. um sein Privatleben geht, genauso hält er den großen Teil seiner Schüler auf der Omote, der Außenseite. Leider schließt dies in der Regel auch einen wichtigen und alles auflösenden Teil seiner Lehre ein. Somit bleibt der größere Teil seiner Schüler für alle Zeiten ohne Lösung auf dem Rätsel des Systems sitzen!

 

Doch Omote und Ura können auch zwei Prinzipien des Kampfes beschreiben, dass eine Sucht die Nähe, das andere Distanz zum Gegner. Überdies kann es auch das "INNEN" und AUSSEN" eines Gegners bezeichnen, sprich, ob ich mich auf die eine oder andere Seite des Angriffs bewege.

 

Oft habe ich über die unzähligen Unterschiede der beiden größten Karate Strömungen auf Okinawa gelesen, Shorin Ryu und Goju Ryu. Und ich muss gestehen, dass ich von der Auflistung von Unterschieden nicht sonderlich begeistert bin. Zum einen, da ich beide Richtungen studiere und lehre, zum anderen weil es deutlich mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede zwischen diesen beiden gibt.

 

Doch wenn es einen nennenswerten Unterschied gibt, dann ist es für wohl dieser: Innen und Außen. Die Techniken der Shorin Ryu Stile, ihre vornehmliche Stellung und die offensichtlichen Prinzipien und Strategien, die in ihren Kata vermittelt werden, deuten darauf hin, dass man es vorwiegend bevorzugt auf der Außenseite des Gegners zu arbeiten. Dies hat natürlich eine Vielzahl von Vorteilen, unter anderem die, dass man den Gegner besser kontrollieren kann, und ihm weiter Angriffe und Gegenwehren deutlich erschwert.

 

Anders scheint sich das Goju Ryu zu verhalten. Mit seinen extrem zentrierten und stabilen Stellungen, den Bewegungsmustern in den Kata sowie der Ausrichtung der Mehrzahl der Techniken drängt Goju Ryu in die Mittellinie des Gegners, beherrscht diese und beendet den Kampf durch diese Vorherrschaft. Dies scheint im ersten Moment eine sehr harte, männliche und besonders verwegene Kampfstrategie zu sein. Schließlich entbehrt diese Methode der Sicherheit, die die Außenseite bietet. Doch auch diese Strategie hat kaum geahnte Vorteile! Denn das besetzen der Zentrallinie des Gegners zwingt diesen in der Regel zum Rücktritt. Gleichzeitig macht es dem Verteidiger einfacher eine logische und unter viel Druck und Adrenalin erzwungene Entscheidung zu treffen. Muss man sich auf der Außenseite in einem Bruchteil einer Sekunde entscheiden, auf welche Seite man ausweichen muss (abhängig davon mit welcher Seite der Gegner angreift) ist das dem "Besetzer der Mittellinie" vollkommen gleichgültig. Er kennt sein Ziel bereits, lässt sich von rechts oder links nicht ablenken, er geht immer in die Mitte.

 

Beide Prinzipien haben Vor- aber auch Nachteile. Ich würde mich sehr über Fragen zu diesem Artikel freuen, und hoffe, dass der Leser an beiden Prinzipien ernsthaft arbeitet.

 

Für unsere Subscriber des Mitgliederbereichs gibt es ab Ende der Woche auch eine kleine "Video Serie" zu dem Thema und den entsprechenden Umsetzungen.

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