Do you Mokuso?

Do you Mokuso?

 

"Mokuso!" Aufrecht vor dem Sensei kniend schließen die Schüler auf dieses Kommando die Augen und bereiten sich auf das Training vor. Einige von ihnen genießen diesen Moment der Ruhe, der Konzentration "vor dem Sturm", der stillen Schau nach innen. Andere können offensichtlich nicht viel mit diesem mystisch anmutenden Ritual anfangen, sitzen in Seiza und warten ungeduldig darauf, diese für uns Westler unbequeme Position endlich verlassen zu dürfen.

Für einige ist die kurze Meditation zu Beginn und am Ende des Trainings ein Relikt aus alten Zeiten, aus einer fremden Kultur, die mit der unseren wenig bis gar nichts gemein hat. Für andere sind Zen und Budo so eng miteinander verwoben, dass eine Trennung für sie dem Ende des Budo als solches gleichkommen würde.

 

Nun, anders als im japanischen Budo, in dem das Zen und somit der buddhistische Ansatz bereits sehr früh Einzug gehalten hat, ist dieser Einfluss in den Kampfkünsten aus Okinawa eine relativ neue Entwicklung. Und selbst hier gibt es dabei keine feststehenden Rituale. Im Dojo von Nagamine Sensei legte man wohl höchsten Wert darauf, sodass die Meditation vor und nach einem Training durchaus jeweils eine halbe Stunde einnehmen konnte. Im Kenshikai Dojo von Hokama Sensei nimmt dieses Ritual ganze 5 Sekunden ein, und gilt somit als vollkommen ausreichend.

 

 

 

Wie ich gerade auf das Thema Mokuso, die Stille Versenkung vor dem Training komme, ist ganz einfach. Ich sitze gerade in einem Hotel mitten in Las Vegas, Amerikas hektischster Spielermetropole. Und gerade hier scheint etwas Ruhe, etwas Abgeschiedenheit, etwas "Weniger" so sehr von Nöten zu sein. Gerade hier, im pulsenden, wahnsinnigen und dekadenten Zentrum des Entertainments und der Zerstreuung scheint es mir plötzlich so ein zentrales Thema meines Trainings zu sein. Gerade bei all dieser Ablenkung um mich herum scheint es mir dieser stille, in sich gekehrte Moment zu sein, der mir hier meine Mitte zurück gibt.

 

Mokusō (jap. 黙想) bedeutet „schweigendes Denken“, „Meditation“, „Konzentration“, „ruhiges Sitzen“. So zumindest übersetzt es Budopedia. Doch nutzen wir diesen kurzen Moment der Ruhe, der Konzentration tatsächlich ausreichend? Also, ich meine so dass wir als Budoka ernsthaft davon profitieren? Oder ist er für uns wirklich nur ein störendes Relikt alter und längst vergangener Tage? Und überhaupt, wenn Zen schon kein fester Bestandteil des alten Karate war, wozu sollten wir Karate Ka dies jetzt üben? Besonders, da die meisten Buduka in unserer Hemisphäre einer anderen Religion angehören, und sich ihnen die Idee des Buddhismus im allgemeinen und die des Zen im speziellen so oder so gänzlich entzieht. Ist also Mokuso oder eine ähnliche Praxis noch Teil eures Trainings, und wenn ja, warum überhaupt?

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Michael Bergen (Sonntag, 29 Mai 2022 06:22)

    Servus und Hallo! Für mich ist das Mokuso ein fester Bestandteil meines Trainings. Egal ob in der Gruppe oder allein. Warum das so ist werde ich versuchen (kurz) zu erläutern. Mit etwa 16 Jahren habe ich angefangen Jujutsu zu lernen. Mein damaliger Trainer erklärte uns den Sinn und Zweck folgender Maßen: Während wir im "normalen" Leben den verschiedensten Interessen und Verpflichtungen nachgehen, aus unterschiedlichen sozialen Schichten und Berufen kommen, so beschreiten wir während der Trainingszeit eine "Paralellwelt" in welcher wir alle ein Ziel haben. Achtsam und respektvoll miteinander umzugehen, egal welcher Abstammung, Religion, Nationalität, Weltanschauung, usw.;
    Um diesem "Übergang" bewusst Ausdruck zu verleihen haben wir vor und nach dem Unterricht inne gehalten. Abknieen, die Augen schließen, auf die Atmung achten und bewusst den Alltag "draußen lassen" war für mich als Jugendlicher eine Art roter Faden. Als ich 2015 eine Zwischenstation im Shotokan Karate machte, war auch hier das Mokuso fester Bestandteil. Seit 2019 versuche ich mich nun im recht modern gehaltenen WingRevolution - der Weiterentwicklung von Wing Tsun - und selbst hier findet das Mokuso statt. Warum also etwas ändern, was unseren (ich sage bewusst) Sport, schließlich kommen wir auch ins Schwitzen und fördern unseren Körper, was uns deutlich von anderen Sportarten unterscheidet. Da könnten wir ja gleich mit Ballsport anfangen :-)
    Und selbst da wird bei großen Veranstaltungen inne gehalten, bevor es losgeht. Auch wenn ich hier selbstverständlich keinen direkten Vergleich zu "unserem" Mokuso ziehen werde. Abschließend finde ich es wichtig und halte es für gesund sich seiner selbst sowie Handlungen bewusst zu sein. Das Mokuso unterstützt mich dabei. Deshalb werde ich es beibehalten und versuchen diesen "Spirit" weiterzuvermitteln.

  • #2

    Shinshi (Sonntag, 29 Mai 2022 13:10)

    Vielen Dank, Michael, für deinen tollen Kommentar!! Wie ich im Artikel ja schon zum Ausdruck gebracht habe, halte ich das Mokuso für einen wichtigen und unverzichtbaren Teil des Trainings. Seit vielen Jahren betreibe ich diesen Teil auch losgelöst vom Kampfkunsttraining, und übe mich fast täglich in einer kurzen Meditation.