Flowdrills – Finde deinen Fluss
Flow Drills sind in den letzten Jahren auch im Karate immer mehr in „Mode“ gekommen. Dabei tauchen sie unter verschiedensten Namen auf, nennen sich mal Flow oder Energie Drills, mal haben sie philippinische mal japanische Namen, wie z.B. Futari Geiko, und zu guter Letzt stellt sich die Frage, sind sie wirklich so modern?
Als ich in den 1980er Jahren damit begann, Fluß- und Partnerübungen aus diversen anderen Stilen in mein Karate zu integrieren, stand die so genannten traditionelle Fraktion schreiend auf, und erklärte, dass das mit Karate ja wohl gar nichts zu tun habe. Unbeirrt machte ich weiter, denn durch diese Drills war ich nicht nur in der Lage, endlich bestimmte Bewegungsabläufe zu verstehen, sondern auch noch diese zu unterrichten und meinen Schülern näher zu bringen. Ein paar Patrick Mc Carthy´s und Taira Bunkais später scheinen diese Übungen nun endlich etabliert zu sein, und die ganze Karate Welt stürzt sich auf diese „alten, lange verschollenen und endlich wieder entdeckten Traditionen“.
Wie dem auch sei, Fluß ist in allen Kampfkünsten von immenser Bedeutung. Und gerade wir Karate Ka neigen dazu, Techniken „nacheinander“ zu machen, statt sie fließend ineinander über gehen zu lassen.
Doch wie geht man es an? Und vor allem, wie kann dieser Flow bei der Entschlüsselung der Kata helfen?
Natürlich empfehle ich viele der bereits bestehenden Flow Drills. Es gibt eine Unzahl von ihnen, und wenn man einsteigen will, muss man ja das Rad nicht gleich neu erfinden. Die ersten Drills eignen sich, um ein Gefühl für den Fluss zu bekommen, für den Rhythmus, die Distanz das Zusammenspiel mit dem Partner. Genau das ist es, was diese Drills auch vermitteln sollen. Doch viele wollen mehr, und möchten das Bunkai (Oyo) ihrer Kata zu einer „Endlos-Schlaufe“ verketten. Also los!
Bevor wir das allerdings machen können, müssen wir uns ein paar grundlegende Gedanken zum Thema Bunkai machen. Um euch eine kleine Hilfestellung zu geben, habe ich hier einige Gedanken aufgeschrieben, die dabei nützlich sein können.
Für das Bunkai dürfen wir keine Möglichkeit des Angriffs und der Verteidigung auslassen, da wir uns sonst vieler natürlicher Möglichkeiten berauben, und unsere Anwendung damit immer „haken“ wird. Als Ansatz können hier verschiedene Ideen herangezogen werden. Eine solide Grundlage bieten z.B. die HAPV Theorien von Pat Mc Carthy, der Angriffe in bestimmte Kategorien zusammengefasst hat. Oft sehe ich, wie aus mangelndem Verständnis einer Technik oder einer kompletten Kombination Techniken total verändert werden, damit sie plausible werden. Doch das ist nicht Bunkai!!!! Wenn wir die Bewegungen der Kata massiv verändern oder gänzlich gegen andere austauschen, dann brauchen wir die Kata nicht, sondern unsere Fantasie. Und das ist eben kein Bunkai 😉
1. Bunkai (Analyse) sollte sich so nah wie nur möglich an den Abläufen der Kata halten. Nur so ist es möglich, jede einzelne Technik und Kombination tatsächlich zu verstehen, und somit unser Verständnis von der Gesamtheit unseres Karate zu erreichen.
In den Kata finden wir verschiedene Wendungen und Drehungen. Manchmal ist es schwierig, diese in ein Futari Geiko bzw. in eine lange Partnerübung einzubauen, da man schnell den entsprechenden Winkel zum Partner verliert. In Bezug auf „Regel“ Nummer 1 (s.o.) sollten wir uns überlegen, warum diese Wendungen in der Kata enthalten sind. Dafür gibt es viele Gründe. Diese können sein:
- Richtungswechsel der für das Kampfgeschehen relevant ist (z.B. von frontal zu seitlich)
- Bewegungsschule, die dem Schüler bestimmte Bewegungsmuster beibringen soll
- Würfe oder Hebel, die eine Wendung nötig machen (z.B. Hüft- oder Schulterwurf)
- Der Raum ist einfach zu Ende! Egal wie groß ein Dojo oder eine Übungsfläche ist, irgendwann muss man sich einfach umdrehen, damit man nicht gegen die Wand läuft.
- und einige andere mehr
Bei der Erstellung unserer Partnerübungen sollten wir also genau überlegen, in welche Kategorie eine Wendung gehört. Dies ist vor allem von unserer Anwendung abhängig. Diese definiert, ob eine Wendung nötig ist, oder nicht.
Gerade in Anfängerformen finden wir eine Vielzahl von Wiederholungen. Ein gutes Beispiel ist hierfür die Pinan Nidan / Heian Shodan, die mit einer langen Bahn von Age Uke (3 an der Zahl) aufwartet. Für eine Partnerübung muss dies nicht immer hilfreich sein, und so ist es manchmal nützlich, Redundanzen wegzulassen, und die Technik nicht tausendfach in jede Richtung zu üben. Das tun wir bereits in der Kata 😉 Ebenfalls ein gutes Beispiel sind die ersten Bewegungen der Pinan / Heian Kata, die eine Technikfolge zuerst nach links übt, um dann die selbe Kombination nochmal nach rechts zu üben.
Doch bevor wir den Rotstift zücken, und blind streichen, sollten wir verstehen, aus welchen Gründen diese Wiederholungen in den Kata überhaupt vorhanden sind. Manchmal sind sie tatsächlich Anwendungsrelevant, manchmal dienen sie ganz offensichtlich anderen Zwecken. Dies kann z.B. sein:
- Anwendungsrelevante Wiederholung (Beispiel: zweimal Shuto Uke)
- Der Meister, der diese Version der Kata, die wir gerade üben, geschaffen hat, empfand diese Technik als besonders wichtig, und wollte, dass wir sie ausführlich üben
- Wir sollen die Technik auf beiden Seiten üben, damit wir beide Seiten trainieren
- Eine „3-er Kette“ (siehe Beispiel Age Uke in der Pinan Nidan / Heian Shodan) unterrichtet Übergänge. Fängt diese Serie beispielsweise mit einem Age Uke rechts in Zenkutsu Dachi recht vorne an, und wir gehen mit links in Zenkutsu Dachi vor während wir mit der anderen Hand einen Age Uke ausführen, schult die Kata den Übergang von rechts nach links. Eine weitere Wiederholung würde nun den Übergang von links nach rechts schulen.
Sicher ist, dass weder Wendungen noch Technikwiederholungen darauf hindeuten, dass ein zweiter Gegner in das Kampfgeschehen eingreift. Das ist weder realistisch, noch kann es Zielsetzung einer Kata sein. Konzentrieren wir uns lieber auf einen einzelnen Angreifer, bevor wir uns auf eine andere, kaum zu meisternde Ebene begeben.
In Laufe der letzten Jahre ist für mich bei der Entschlüsselung der verschiedenen Kata eines ganz klargeworden. Die Meister, die diese Bewegungssequenzen erstellt haben, waren Genies! Dies zeigt sich für mich besonders in der Tatsache, dass sie nicht nur einen „Plan B“ in ihre Kata eingebaut haben, sondern auch gleich noch einen Plan C, D und E. Was ich damit sagen will ist, dass die Kombinationen innerhalb einer Kata oftmals aufeinander aufbauen. Versagt die erste Kombination, kann es leicht sein, dass die darauffolgende Technik so gestaltet ist, dass sie das neue Problem lösen kann. Dies setzt allerdings voraus, dass der Gegner aktiv ist, nicht nur einen Angriff abgibt und dann unseren Konter verteidigungslos hinnimmt. Gerade dieses Verhalten wird, obwohl ich es für mehr als realistisch halte, in den meisten Dojo vernachlässigt. Wir sollten die Mögliche Gegenwehr des Gegners allerdings unbedingt in unsere Partnerübung einbeziehen, denn dann kann ein Flow Drill entstehend, der nicht nur Spaß macht, sondern der so nah wie möglich an einem echten Gegner ist.