Ken Zen Ichi

 

Von Zen in den Kampfkünsten

 

Bunburyudo oder Ken Zen Ichi sind Begriffe, denen wir innerhalb der Budo Kampfkünste immer wieder begegnen. Über Bunburyu do (oder „Pinsel und Schwert sind eins“, hatte ich ja bereits in diesem Blog geschrieben (Blog Artikel Bunburyudo). Auch Ken Zen Ichi geht einen ähnlichen Weg (Schwert und Zen sind eins), und man will mit diesen Aussagen deutlich machen, dass hinter den Kampfkünsten eine tiefere Philosophie steckt, als nur die des Kampfes und des Tötens.

 

Nun, gerade Sätze wie Ken Zen Ichi haben unser heutiges Bild der Samurai (Bushi) sehr stark geprägt. Denn obwohl uns (gut gemachte!) Filme wie z.B. Last Samurai Geschichten von Krieger Mönchen erzählen wollen, ist die Verbindung des Budo mit dem Zen weder eine tiefe, noch eine besonders alte!  Zen war bei weitem nicht die erste Wahl der alten Kriegerkaste, was, bei genauer Betrachtung des Zen, auch absoluten Sinn macht! Klar ist, dass Ken Zen Ichi auf den berühmten Zen Meister Takuan (1573 - 1645) zurückgeht. In einem Brief an den ebenfalls berühmten Schwertmeister Yagyu Munenori, der ein großer Verfechter und Schüler Takuans war, beschreibt Takuan die Zusammenhänge zwischen dem Schwert und dem Zen. Aber das ist wohl der Stoff für einen anderen Artikel.

Klar ist auch, dass beide Konzepte aufweisen möchten, dass alleine das Erlernen von Kampftechniken und Kriegsstrategien nicht ausreichend ist, um einen Krieger zu erschaffen. Auch wenn dieses Idealbild der Samurai ebenfalls nicht zu jeder Epoche zutreffend war, und heute eher einem verklärten Ideal gleichkommt, so war es doch das Ziel eines jeden Kriegers, sich vielfältig zu bilden. Man wollte den Kriegern in ihrer Erziehung ein breites Wissen zukommen lassen, welches neben diverser Ausbildung im Kriegshandwerk auch eine Schulung in Lesen, Schreiben, Malen, Musizieren, Dichtkunst und vielen anderen Dingen beinhaltete. 

 

 

"Karate-Do ist definitiv eine Kampfkunst, und seine Identität liegt im Do und dessen Prinzipien. Jede Kampfkunst ohne angemessenes Training des Geistes verwandelt sich in bestialisches Verhalten." 

 

Shoshin Nagamine

 

Bereits Miyamoto Musashi, der wahrscheinlich bekannteste japanische Schwertmeister seiner Zeit, schrieb in seinem Buch „Go Rin No Sho“ (Das Buch der fünf Ringe), dass es für einen Schwertmeister wichtig wäre, sich in vielen Dingen des täglichen Lebens auszukennen. Er empfahl, dass man sich in verschiedenen Berufen umsehen sollte, um deren Wege zu verstehen. Musashi selbst schien diesen Weg vorbildlich zu gehen, denn neben seinen Errungenschaften als Schwertmeister hinterließ er nicht nur das Buch der fünf Ringe, sondern auch eine große Anzahl verschiedenster Kunstwerke. Darunter befinden sich Kaligraphien, Zeichnungen und Malereien, Skulpturen aus verschiedenen Materialien sowie Schmiedekunstwerke, wie z.B. eine Tsuba (Stichblatt).

 

Doch warum war es diesen Meistern so unendlich wichtig, auch die anderen Aspekte wie Zen oder Kalligraphie zu schulen? Warum sahen sie Bildung und Fähigkeiten in anderen Bereich als unerlässlich an, um auf dem Weg der Kampfkünste voranzuschreiten? 

 

Zum einen war es für die professionellen Krieger aller Epochen wichtig, einen philosophischen Gegenpool zu ihrem brutalen täglichen Wirken zu haben. Dies wurde bereits bei den alten Griechen gepflegt, und ist keine rein japanische Erscheinung! 

 

 

Kisshu fushin oder Oni te hotoke kokoro

"Herz eines Heiligen, Faust eines Dämonen"

Kalligraphie von Hokama Tetsuhiro Sensei, im Besitz des Autors

 

 

Gleichzeitig ging es darum, den Krieger zu einem guten und funktionierenden Teil der Gesellschaft zu machen, in der er lebte. Zu guter letzt, und das sehe ich als einen heute stark vernachlässigten Punkt innerhalb der Budo Künste an, versuchte man ein tiefes Verständnis der eigenen Kampfkunst zu erlangen, in dem man sich ihr aus allen nur erdenklichen Richtungen näherte. Praktisch, wie in einem Handwerk, künstlerisch, wie in der Malerei oder Kaligraphie, philosophisch, wie in der Dichtkunst und im Gesang, aber auch spirituell, wie gerade im Zen oder dem Tee Weg. 

 

 

Was bedeutet nun all das für den modernen Kampfkünstler? Müssen wir jetzt alle zum Zen konvertieren, den Umgang mit dem Pinsel erlernen und eine Schreinerlehre anfangen? Sicher nicht! Aber es soll uns darauf aufmerksam machen, dass es viele Wege gibt, sich seiner Kampfkunst zu nähern, um sie noch besser zu beherrschen, sie noch besser zu verstehen, und auf diesem Wege uns selbst besser verstehen zu können. Denn ist des letztlich nicht das, worum es in all diesen Metaphern geht?

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Kommentare: 1
  • #1

    Michael Bergen (Sonntag, 26 Februar 2023 11:18)

    Servus Andree,
    wieder ein gelungener Artikel. Danke dafür!
    Ergänzend hierzu fallen mir die Worte - sie werden Sakugawa Kanga zugeordnet - ein: "Ein Meister des Karate muss in allen Dingen des Lebens bewandert sein. Ein Experte ist nur jemand der immer mehr von immer weniger versteht."
    Liebe Grüße vom Ammersee, der Michael