Kosa Dachi

Kosa Dachi – Völlig verdreht?

Der Kosa Dachi, oder auch Kreuzstand, ist für viele Karate Praktizierende eine Mysterium. Man steht mit gekreuzten Beinen da, beinahe so als ob man dringend auf die Toilette müsste. Meist ist die Stellung etwas wackelig, man stolpert fast über die eigenen Beine, und fragt sich ernsthaft, für was das alles gut sein soll.


Die alten Meister hatten bei der Entwicklung der Stellungen immer einen praktischen Nutzen im Kopf. So soll eine Stellung immer die Bewegung des Oberkörpers bzw. die ausgeführte Technik unterstützen (hierzu arbeite ich gerade schon am nächsten Artikel über Kamae / Stellungen). Der Kosa Dachi stellt da keine Ausnahme dar, nur leider bleibt die Frage „wozu ist die Stellung da?“ damit nicht beantwortet.

Der Kosa Dachi stellt eine Sonderposition dar. Obwohl wir ihn in vielen Kata in einer nach vorne gerichteten Position wieder finden (z.B. Pinan / Heian Yondan) ist er eher eine Position, die wir zur Seite einnehmen. Dies kann unter anderem dadurch passieren, weil uns unser Gegner in eine bestimmte Richtung bewegt. Zieht oder schiebt er seitlich von uns an unserem Oberkörper, verlieren wir das Gleichgewicht, und fangen an zu kippen. Da der Körper das ausgleichen will, müssen wir einen Schritt machen, um die Balance zu halten. Besonders bei einem ruckartigen, starken Zug an der Schulter kommt es nun reflexartig zum typischen Kosa Dachi.

Die „Ursache“ für unsere Kreuzstellung (Zug oder Schub im oberen Bereich des Körpers von der Seite) kann sehr hilfreich bei der Entschlüsselung der Bewegung in einer Kata sein. Ein klassisches Beispiel ist hier die Kata Naihanchi / Tekki, bei der der Kosa Dachi häufig Verwendung findet. Naihanchi, oftmals übersetzt mit „seitwärts kämpfen“, kann zusätzlich ein Hinweis auf dieses seitliche Einwirken durch den Gegner sein. Wenn wir die Naihanchi Kata einmal komplett auf einen Gegner abstimmen, der von der Seite Schub oder Zug auf uns ausübt, kann das für unser Bunkai nochmal zusätzliche Dimensionen eröffnen.


Interessant wird es, wenn wir den Bereich der Shuri Te stämmigen Kata verlassen, und uns den Einsatz des Kosa Dachi im Goju Ryu anschauen. Hier findet er (wie z.B. in der Kata Sanchin) vornehmlich Verwendung als Vorstufe / Einleitung einer Drehung. Dabei werden nicht nur die Beine gekreuzt, sondern auch die Füße auf die Außenkanten gestellt. Unter massiven Einsatz der Hüfte wird nun die Drehung eingeleitet, die jetzt erheblich mehr Schwung aufweist. Also eine weiter Einsatzmöglichkeit für den Kosa Dachi, der scheinbar weit mehr kann, als „nur“ den Genitalbereich zu schützen.


Für Experimentierfreudige: Übernehmen wir die Erkenntnis aus dem Goju Ryu nun für die Kata Naihanchi, und setzen bei jedem Kosa Dachi eine hüftbetonte Drehung ein, kämpfen wir plötzlich nicht mehr nur in eine, sondern in zwei Richtungen (vorne und hinten). Zudem können wir jetzt mit den Drehungen weitere Anwendungen im Bunkai praktizieren, und u.a. Würfe aus der Drehung in unser Bunkai integrieren. Ein kleines Video für die „Naihanchi mit Drehung“ ist bereits in Vorbereitung. Viel Spaß beim Üben!

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