Vereinfachung - Weniger ist mehr        Teil 2

Vereinfachung - Weniger ist mehr Teil II

 

 

 

Wie bereits in der letzten Woche versprochen geht es nun an´s Eingemachte meiner "Vereinfachungs-Theorie". Dabei geht es vor allem darum, Gemeinsamkeiten zwischen diversen Techniken zu entdecken, dies teilweise ungeachtet ihrer stilspezifischen Ausführungen, um so nicht nur die Techniken und ihre jeweilige Anwendung besser verstehen zu können, sondern auch die Möglichkeit zu erkennen, dass man sich durchaus auf eine Handvoll effizienter Möglichkeiten konzentrieren kann.

 

Um die Idee hinter dieser Theorie zu verdeutlichen habe ich mir die verbreitetsten Blocktechniken des Karate genauer angesehen, diese in ihrer Funktionalität analysiert um somit eine klare Struktur die diesen Bewegungen zu Grunde liegt zu erkennen. (Ach herrje, ich kann es nicht lassen. Schon wieder so viele Schachtelsätze!!! Also, einfach nochmal lesen, sorry)

 

 

 

Die ursprüngliche Idee zu dieser Analyse basiert auf meiner Theorie die die Leser meines Buchs "Itosu und die Pinan Kata" bereits kennen. Darin hatte ich den Shuto Uke als Itosus Standardlösung bezeichnet, weil er die am häufigsten vorkommende Technik innerhalb der Pinan / Heian Katas ist.

 

Um die Begrifflichkeiten zu klären, hier noch eine wichtige Anmerkung. Da in den meisten Stilen der Block nach außen ein Soto Uke ist, und der Block nach innen als Uchi Uke bezeichnet wird, habe ich mich für diese Bezeichnung entschieden (im einigen Stilen wie z.B. im Shotokan ist dies andersherum). Die Blocktechniken (Uke Waza) die ich für diese Erklärung herangezogen habe sind

 

-    Uchi Uke

 

-    Soto Uke

 

-    Gedan Barai

 

-    Age Uke

 

-    Shuttle Uke

 

-    Mawashi Uke

 

 

 

Zuerst müssen wir die genaue Herangehensweise dieser "Block" Techniken in ihre Einzelteile zerlegen, um zu sehen, ob sie überhaupt eine Gemeinsamkeit aufweisen. Doch bevor wir das tun, sollten wir uns fragen welche Anforderungen wir grundsätzlich an eine solche Technik stellen. Was muss diese Technik können um in einem Kampf realistische Bestand zu haben?? Nun, offensichtlich haben unterschiedliche Kampfkünstler auch unterschiedliche Anforderungen, ergo kann ich hier nur meine eigene Favoritenliste veröffentlichen:

 

 

 

1.    Zeitgerechte Bewegung

 

Die Technik muss so gestaltet sein, dass sie „zeitgerecht“ ausgeführt werden kann. Dies bedeutet, dass ich als „Verteidiger“ oftmals ja nach dem Angriff des Gegners (AKTION) handele (REAKTION) und somit mein Zeitfenster extrem klein ist. Verschwendete Bewegungen, wie z.B. unnütze Ausholbewegungen oder das sogenannte „laden“ der Hand, kann ich mir nicht ernsthaft leisten, wenn der „Block“ erfolgreich werden soll.

 

 

 

2.    Schließen der Zentrallinie

 

Auch wenn der Begriff sicherlich zuerst von chinesischen Stilrichtungen geprägt wurde, ist das Sichern und Besetzen der eigenen und das Angreifen der gegnerischen Zentrallinie ein elementarer Punkt für alle realistischen Systeme. Dabei geht es darum, dass neben dem Ausweichen (welches in der Anwendung zwar zeitgleich mit einem Block ausgeführt wird, aber technisch betrachtet kein Bestandteil der eigentlichen Blocktechnik ist) das Sichern der Zentrallinie sofort und ohne Umwege geschehen muss, wenn wir die gegnerische Technik ernsthaft verhindern wollen.

 

 

 

3.    Verteidigung und Konter sind eine Bewegung

 

Viele der alten Meister (u.a. Motobu Choki in seinem 1932 erschienenen Buch „Watashi no Karate Jutsu“) legten großen Wert darauf, dass Block und Gegenschlag in einer Bewegung ausgeführt werden. Diese simultane Ausführung schafft Zeit für den Verteidiger, und übt auf den Angreifer enormen Druck aus. So kommt es im optimalen Fall zu einem „Rollentausch“ bei dem sich der Angreifer plötzlich in der Lage des Verteidigers befindet.

 

Doch sehen wir uns einmal einige der oben genannten Blocktechniken unter eben diesen Gesichtspunkten an. 1. Zeitnah (keine unnützen Ausholbewegungen usw.), 2. Zentrallinie schließen und 3. Block und Konter in einer Bewegung.

 

 

Beim ersten Beispiel des Age Uke sehen wir in der ersten Sequenz eine Art Ausholbewegung der linken Hand zum Ohr (je nach Stil kann diese Hand höher oder tiefer gehalten werden), während die rechte Hand zur Mitte gehalten / gestreckt wird. Erst in der der zweiten Sequenz wird die linke Hand zum klassischen Age Uke gehoben. Eine so ausgeführte Sequenz kann also nicht funktionieren, wenn wir so ausführen! Oder doch?

 

 

Betrachten wir die beiden Bilder erneut unter den oben genannten drei Kriterien. Im ersten Bild nehme ich mit der linken Hand bereits einen geraden Angriff (bspw. einen Tsuki). Die Hand fungiert also ähnlich wie ein Uchi Uke (in diesem Fall „Block nach innen“), und  ist NICHT, wie oft vermittelt wird, eine Ausholbewegung.

 

 

 

Gleichzeitig erfüllt die rechte Hand bereits die Kriterien 2 und 3. Sie kann einfach die Zentrallinie schließen (wie als Eingang gegen einen Mae Geri z.B.), oder sie wird direkt als Tsuki in Richtung Gegner ausgeführt, um diesen bereits im ersten Moment des Blocks zu treffen. Mit beiden Bewegungen schaffen wir wieder Zeit (ZEITGERECHT!!) für die „Ausholbewegung“ unseres Age Uke, der nun eventuell gar kein „Block“ mehr ist, sondern direkt als Schlag unter das Kinn des Angreifers geht.

 

 

 

Überraschenderweise sind alle nun folgende Blocks so aufgebaut, und ich habe die Bilderfolge nur als Gedankenstütze hier untergebracht. Seht euch die Abfolgen sorgfältig an, überlegt, welche Hand bereits annehmen (statt nur ausholen) könnte, welche Hand schon die Zentrallinie schließt, bzw. im Ansatz einen Konter darstellt.

 

 

 

P.S. Natürlich weiß ich, dass nicht in allen Karate Stilen die Blocks (Uke Waza) so ausgeführt werden, wie ich es auf den Bildern oder auch in meinem Video demonstriere. Dennoch bin ich sicher, dass ihr auch aus „euren“ Block Techniken diese Funktionalität erarbeiten könnt, wenn die Augen offen sind.

 

 

 

Wie bereits im ersten Teil des Artikels erwähnt, finden unsere Subscriber ab heute auch einen Video im Mitgliederbereich, in dem diese Basisblocktechniken detailliert in der Anwendung gezeigt werden.

 

Für alle die noch keine Mitgliedschaft haben, hier ein kleiner "Vorgeschmack".

 

Damit euer Karate auch weiterhin richtig funktioniert ;-)

 

Ganbatte und viel Spaß beim Üben!

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Basty (Mittwoch, 19 Oktober 2016 13:52)

    Lieber Andree,

    wie hatten ja schon geschrieben und ich hatte dir meine Meinung in meinem Artikel mitgeteilt. Jetzt ist er auch endlich öffentlich und ich möchte zum weiteren Nachdenken anregen :-D
    http://dermodernebudoka.de/2016/10/19/warum-sehen-kampfkunsttechniken-so-kompliziert-aus/

    LG Basty