Uechi Ryu

Uechi Ryu - Der enge Verwandte des Goju Ryu?!

 

 

 

Das Karate aus Okinawa besteht aus vielen verschiedenen Strömungen, Richtungen und Stilen. Eine grobe Unterteilung dieser Richtungen in die drei großen Gruppen, Shuri Te, Tomari Te und Naha Te, Bezugnahmen auf die jeweiligen Orte ihrer Entstehung, ist heute üblich, wenn auch nicht immer zweckmäßig. Die Orte Shuri, Tomari und Naha gehören heute gesamtheitlich zum Stadtgebiet von Naha. In die Gruppe des Naha Te fallen die Stile Goju Ryu, Uechi Ryu, To ón Ryu und das Ryuei Ryu, um die wichtigsten zu nennen. Diese Stile weisen eine große Verwandtschaft zueinander auf, vor allem was die Auswahl ihrer Kata angeht. Wie so oft in den Kampfkünsten aus Okinawa ist jedoch der Name einer Kata manchmal irreführend, und Kata mit demselben Namen sind je nach Stil stark voneinander abweichend, wenn es um Ausführung, Technik, Enbusen oder stilspezifischen Anwendungen geht.

 

Shushiwa
Shushiwa

Sicherlich bin ich kein Experte des Uechi Ryu, jedoch finde ich es für das bessere Verständnis des Goju Ryu als unerlässlich, auch die anderen Stile der Naha Te Gruppe zu studieren. Dies vor allem vor dem Hintergrund, dass beide Stile vermutlich einen gemeinsamen Ursprung teilen.

 

 

 

Der Stil Uechi Ryu geht auf den Meister Uechi Kanbun zurück. Hokama Tetsuhiro schreibt in seinem Buch "100 Masters of Okinawa Karate" folgendes über diesen Meister:

 

 

 

            Uechi Kanbun (1877 - 1948)

 

 

 

Berühmt als der Begründer des Uechi Ryu Karate Do wurde Uechi in Motobu, im Norden Okinawas geboren. Von 1897 bis 1909 lebte er in Fuzhou, China, wo er den südlichen Shaolin Stil des Tiger Boxens unter Shu Shiwa studierte. 1926 eröffnete Uechi ein Dojo in Wakayama auf der Hauptinsel Japan. Zwei seiner ersten Schüler waren Tomoyose Ryuyu und Uehara Saburo. 1932 benannte er das Dojo in Pangainun Ryu Karate Jutsu Kenkyu Jo um, und 1940 wurde Suchseite Stilin Uechi Ryu umbenannt. Kanbun Seinsei´s Kunst          basiert auf den Kata Sanchin, Seisan und Sanseiryu, welche er in China studierte.

 

          Uechi begann sein Training unter Shu Shiwa 1904 im Alter von 27, und erhielt letztlich eine Lehrerlizenz von Shu Shiwa. Sein erstes Dojo eröffnete er in China. 1909 kehrte er nach Izumi, Okinawa zurück und verbreitete dort seinen Stil über die ganze Insel.

 

Uechi Kanbun
Uechi Kanbun

Wir sehen hier also eine ähnliche Anfangsgeschichte wie die von Higaonna Kanryo, dem Lehrer des späteren Goju Ryu Begründers Miyagi Chojun. Wie Higaonna hatte Uechi bereits vor seiner Abreise Kontakt zu denKampfkünsen, und soll unter Tanme Toyama gelernt haben. Anders als Higaonna hatte Uechi weniger Glück in China. Er soll zuerst im Kojo Dojo des Ryukyukan Unterricht erhalten haben, doch war dies auf Grund persönlicher Schwierigkeiten von kurzer Dauer. Uechi, der nicht nur unter einem Sprachfehler litt, war offensichtlich weder des Lesens und Schreibens mächtig, noch der chinesischen Sprache, was einem Start im fremden Land sicher nicht entgegenkam.

 

 

 

Offensichtlich hat Uechi später bei einem Meister namens Shu Shiwa studiert. Ähnlich wie in der Geschichtsforschung im Goju Ryu ist auch die Identität dieses Meisters eher umstritten. Einige Forscher identifizieren Shu Shiwa als Zhu Zhihe, welcher ein Lehrer des Tiger Boxens war (auch wenn er vermutlich verschiedene Stile erlernte hatte). Andere Historiker halten diese Theorie für absurd, das Zhu Zhihe nur wenige Jahre älter war als Uechi Kanbun zu dieser Zeit. Zu jung, um den Schilderungen Uechis von Shu Shiwa zu entsprechen, und zu jung, als schon ein erfahrener Kung Fu Meister zu sein.

 

 

 

In seinem 2016 erschienen Kurzwerk "The Chinese Roots of Uechi Ryu Karate" veröffentlicht Gleb Muzrukov einige, für mich logisch sehr schlüssigen Theorien zur Entstehung des Uechi Ryu. Auch wenn Muzrukovs Rückschlüsse teilweise in massiven Gegensatz zur üblichen "Lehrmeinung" stehen, machen sie bei genauer Betrachtung vollkommen Sinn. Ein Studium dieser kurzen Abhandlung empfehle ich daher jedem Leser dringend, vor allem vor dem Hintergrund, dass eine ähnliche Logik auch auf die Entstehung des Goju Ryu anwendbar ist. (siehe Link am Ende dieses Artikels)

 

Muzrukov geht in seiner Theorie davon aus, dass sowohl das politische als auch das soziale Klima zur Zeit der Aufenthalte von Higaonna Kanryo und Uechi Kanbun dafür sorgten, dass beide als Außenseiter oder gar "Feinde" betrachtet wurden. Somit ließe sich zum einen erklären, warum Uechi nie die Suparinpei erlernt hat, und Higaonna neben den vier genannten Kata andere Formen aus weiteren Stile in sein Lehrgebäude implementierte. Diese Theorien sorgen sicherlich für einigen Zündstoff unter den Hardlinern des Goju und Uechi Ryu, sind aber dennoch nicht völlig von der Hand zu weisen, und legen hoffentlich den Grundstein für weiterführende historische Recherchen.

 

 

 

Die Kata des Uechi Ryu

 

 

 

Ursprünglich besaß der Stil lediglich drei Formen: Sanchin, Seisan und Sanseiru. Zu diesen Kata entwickelte man (siehe Tabelle) im Weiteren die Kata Kanshiwa, Kanshu, Seichin, Seiryu und Kanchin. Die drei ursprünglichen Kata wurden bereits vom Begründer des Uechi Ryu, Uechi Kanbun selber unterrichtet. Im Quervergleich zu den vier "Kernkata" des Goju Ryu fällt dabei auf, dass die Kata Sanchin, Seisan und Sanseiryu identisch sind (diesjedoch lediglich von der Namensgebung her), die höchste Kata Suparinpei allerdings fehlt. Dies lässt manche Forscher vermuten, dass Uechi und Higaonna aus einem verwandten Pool aus Kata und Stilen schöpften, Uechi jedoch nicht in die "höchsten Weihen" des Stils initiiert wurde. Möglicherweise liegt dies aber auch daran, dass Higaonna länger in China blieb um diese Kata zu erlernen.

 

 

 

Neben diesen drei "alten" Kata wurden die weiteren Formen wie folgt entwickelt:

 

(Quelle: Christopher M. Clarke, Okinawan Karate: A History of Styles and Masters; Volume 2 - Clarke´s Canyon Press 2012)

 

Auch wenn sich Goju Ryu und Uechi Ryu einige der grundlegenden Kata "teilen", muss klar gesagt werden, dass diese Kata trotz einer klaren Verwandtschaft definitiv nicht dieselben Formen sind. Sie unterscheiden sich nicht nur auf Grund ihres Enbusen, sondern auch in der Art ihrer Ausführung. Die Frage, die sich Praktizierende beider Stile dringend stellen sollten ist, welche der beiden Kata Ausführungen haben im Laufe der Zeit die größeren Veränderungen erfahren? Sicher ist weder der eine noch der andere Stil dem chinesischen "Original" der Formen nahe, und somit können beide voneinander lernen und ihren eigenen Stil dadurch besser verstehen lernen.

 

Hier der Link zu dem hervorragenden Artikel von Gleb Muzrukov:

http://ewuf.org/Uechiryu_roots.pdf

 

 

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