Auch wenn es vielleicht gemein klingen mag, aber ich bin immer wieder überrascht, wenn mir deutlich übergewichtige „Karateka“ erzählen, wie lange sie bereits Karate trainieren, und wie hart ihr Training doch ist. Nun, viele mögen jetzt sicher sagen, dass ich als „professioneller“ Lehrer es ja einfach hätte in Form zu sein. Ein „Vorurteil“, mit dem ich sehr, sehr oft konfrontiert werde. Dabei wir mir jeder, der viel Zeit mit dem Unterrichten einer Kampfkunst beschäftigt ist bestätigen, dass unterrichten und selber trainieren zwei völlig unterschiedliche Dinge sind.
Ich erwarte von keinem Karateka, dass er sich in einer Hollywood Adonis Figur präsentiert. Das ist weder notwendig um gutes Karate zu praktizieren, noch steht der Aufwand in der Muckibude dafür. Aber wenn ich mich bei einigen der älteren Meister in Okinawa so umsehe, dann kann ich nicht an der Tatsache vorbeischauen, dass viele von ihnen in einer unverschämt guten körperlichen Verfassung sind!! Daran sollten wir uns sicherlich ein Beispiel nehmen.
Viele Karateka, und das betrifft vor allem die älteren und fortgeschrittenen unter uns, sind der Ansicht, dass sie nicht mehr hart trainieren müssten oder sogar könnten. Ihre Bewegungen werden ungelenk, und sie verstecken sich hinter dem ein oder anderen körperlichen Gebrechen, wobei ihre Körper immer weniger in der Lage sind, echtes Karate zu betreiben. Dabei gibt es viele Möglichkeiten, alters- bzw. verletzungsgerecht zu trainieren. Und zwar bis ins hohe Alter!! Woher ich das weiß? Naja, wenn ich meine „Schäden“ aufzählen soll, sind wir schneller, wenn ich statt dessen die Knochen aufzähle, die in meinem Körper noch ganz sind. Und jenseits der 50 darf ich mit Recht behaupten, dass es jeden Tag schwerer wird, in Form zu bleiben. Doch das hindert mich nicht, im Gegenteil! Es ist eine der vielen Herausforderungen denen wir uns auf unserem Budo Weg zu stellen haben. Denn darum geht es doch im Budo, den Weg zu gehen, gerade dann, wenn er nicht einfach ist, nicht eben, sondern steinig wird.
„Karate ist wie ein Kessel mit kochendem Wasser. Wenn man das Feuer darunter nicht ständig anheizt, kühlt das Wasser ab.“
Funakoshi Gichin
Doch wie nur gelingt es uns, jeden Tag die richtige Motivation zu finden, um nicht nur im Dojo anwesend zu sein, sondern auch noch mit voller Aufmerksamkeit zu trainieren? Die Antwort ist eine einfache: Gar nicht! Wir können, ja wir müssen nicht jeden Tag körperlich alles geben. Aber wir müssen es regelmäßig tun. Nur die Routine macht uns zu dem, was wir letztlich sind. Sind wir ständig faul, dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn unser „Training“ keine Früchte trägt. Ebenso ist es förmlich vorprogrammiert, dass wir bei regelmäßigem und intensiven Training eben diese Früchte ernten dürfen. Doch dazu gehört die Wiederholung!
„Repetition is the mother of skill!“
Jean Frenette, Hanshi 9. Dan Goju Ryu,
Kata Superstar der 80er und 90er Jahre
Eine gute Möglichkeit auf der einen Seite Routine zu erschaffen, und auf der anderen Seite die Langweile im Training zu durchbrechen, ist das Prinzip der Priorisierung. Mit diesem Prinzip konzentriert man sich für eine bestimmte Zeit auf einen klar definierten Abschnitt des Trainings. Dies könnte z.B. sein, sich für bestimmte Zeit auf das Training der Schnellkraft zu konzentrieren, eine bestimmte Technik oder Technik Gruppe (Tsuki Waza, Keri Waza usw.), besonders an der Dehnung zu arbeiten, oder sich auf eine spezielle Kata zu stürzen. Es geht also darum, sich für Zeitraum X auf einen Aspekt des Trainings zu konzentrieren, um dort in kürzerer Zeit größere Erfolge zu erzielen. Das macht nicht nur Spaß, sondern ist aufgrund der schneller erkennbaren Erfolge auch äußerst befriedigend. Diese Methode der Spitzensportler habe ich lange angewandt, und trainiere noch heute regelmäßig danach. Anders könnte ich mein Pensum auch kaum bewältigen! So kann es sein, dass ich mich eine Weile auf meine Goju Ryu Kata konzentriere, um dann festzustellen, dass mein Kobudo dringend einen Feinschliff bräuchte. Nach einem intensiven Zeitraum des Kobudo Trainings stelle ich fest, dass meine Kicks verwahrlost sind, und lenke meinen Fokus auf diesen Trainingsbereich. Und so geht es weiter.
Mit dieser Balance entdecke mich und mein Training immer wieder neu, und finde immer wieder etwas, das es noch zu verbessern gilt. Das motiviert mich, und schafft auch einen Wechsel zwischen dem rein körperlichen Training (Muskeln, Ausdauer etc.), dem Training der Technik und der Übung von mehr geistigen Aspekten. Gleichzeitig bleibt „meine Klinge“ auf diese Weise scharf, und es fällt mir deutlich leichter, im Training 100 % zu geben. Probiert es aus ;-)
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