Kampf - Kunst?

 

Kampf – Kunst?

 

 

Es passiert mir immer wieder! Wenn ich außerhalb meiner „gewohnten Kampfkunstumgebung“ (ja, auch ich habe noch ein Bisschen so etwas wie ein „normales Leben“) unterwegs bin, kommt irgendwann natürlich auch das Gespräch auf das Thema „was machst du so?“. Klar, meine Antwort ist in der Regel „Kampfkunst“. Und die Reaktion ist, ebenso in der Regel, die gleiche. Augen die sich weiten, der Kopf wird schräg gelegt, bevor es sich in ein Kopfschütteln verwandelt, gefolgt von den Worten „ich wusste gar nicht, dass Kämpfen eine Kunst ist!“. Kennt ihr das?

 

 

Für einen Fachidioten wie mich ist so eine Reaktion natürlich zunächst ebenso unverständlich, wie für meinen Gesprächspartner der Fakt, dass es so etwas wie Kampfkunst überhaupt geben soll. Aber wie die meisten Dinge im Leben, sobald man darüber nachdenkt, kommt man selbst ins Zweifeln. Ist Kämpfen, ist Budo, oder noch spezieller, ist Karate eine Kunst?

 

 

Wenn ich mir diese Frage auf der Zunge zergehen lasse, muss ich sie, so leid es mir auch tut, mit einem klaren NEIN beantworten! Denn Kunst ist etwas lebendiges, etwas, dass sich auf seine Traditionen besinnt, das Handwerkszeug vorangegangener Generationen aufgreift, und dabei die Kreativität immer als Speerspitze verwendet, um etwas neues, etwas bleibendes oder vielleicht sogar etwas bahnbrechendes zu erschaffen. Das ist, schade eigentlich, Karate schon gar nicht! Kreativ? BITTE!!!

 

 

Ja doch, Karate besinnt sich seiner Traditionen, und in manchen Fällen verwenden wir nicht nur das Handwerkszeug vorangegangener Generationen, sondern wir verstehen es sogar. Aber das ist es dann auch schon.

 

 

Blicken wir auf andere Künste, so erkennen wir sofort eine gewissen Parallele. Musik zum Beispiel. Musik, gleich welcher Art, entspringt einer Tradition und verwendet Handwerkszeug, welches von vorherigen Generationen entwickelt wurde (Noten, Takt usw.). In der Musik gibt es solche, die sich ausschließlich mit klassischer Musik beschäftigen, diese hören, studieren und sogar selber spielen. Jede Art „neumodischer“ Musik ist ihnen zuwider, und es gibt sogar Studien dazu, wie zum Beispiel Metal die Gesundheit schädigen kann, während klassische Musik diese sogar fördert. Wie auch immer, die Vertreter der klassischen Musik (ich bin fast geneigt, sie als „Traditionalisten“ zu bezeichnen), halten nichts von Veränderungen, Entwicklungen oder sogar Kreativität. Schließlich war Mozart ein musikalisches Genie, der im Kindesalter bereits komplizierte Partituren schrieb, und schon zu Lebzeiten als Wunderkind gefeiert wurde. Und wer denkt die neue Generation von Musikern überhaupt, dass sie ist und sich das Recht herausnimmt, Musik nach eigenen Maßgaben zu erfinden? Alles war gut so wie es ist, und es war schon immer so!

 

 

Anders hingegen die Verehrer progressiver Musik. Ihnen kann es gar nicht revolutionär genug sein, es wird experimentiert bis sich die Balken biegen, musikalische Konventionen werden bis zu dem Punkt über Bord geworfen, wo die sogenannten Musik schon eher Schmerzen für die Ohren bedeutet. Das Lamm schrie Hurz! Vertreter dieser Art der Musik wollen alles anders machen, und vergessen dabei gerne, dass auch Musik sich gewisser Rhythmen bedient, und bestimmten Zwängen unterliegt, um auch als solche wahrgenommen zu werden. Dann erfüllt Musik einen Zweck. Welcher das ist, muss jedoch der Hörer für sich entscheiden 😉

 

 

 

In Karate Kreisen habe ich manchmal das Gefühl, es ebenso mit zwei solchen extremen Fronten zu tun zu haben. Und, wie immer im richtigen Leben, liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte. Die selbsternannten Traditionalisten stellen ihre Meister, denen sie selbst nie begegnet sind, auf ein göttliches Podest und halten zwanghaft daran fest, dass nur sie die echte, die originale Version der alten Kata kennen. Die Modernen hingegen verunstalten das, was einmal Karate war, zu einer Zirkusnummer, bis zu dem Punkt, an dem außer Athletik und turnerischen Fähigkeiten davon nichts mehr übrig bleibt.

 

 

 

„Armselig der Schüler, der seinen Meister nicht übertrifft!“

 

Leonardo Da Vinci

 

 

 

 

Die alten Meister kannten das Mittelmaß. Sie selbst hatten in der Regel verschiedene Lehrmeister, lernten intensiv und gründlich von ihnen, und gingen dann zur nächsten Stufe über: Sie beriefen sich auf die alten Traditionen, übernahmen das Handwerkszeug ihrer Lehrer und wurden kreativ! Ja, sie gingen sogar soweit, Kata nach ihren eigenen Erkenntnissen zu verändern, Lehrprogramm neu zu strukturieren und sogar (oh Frevel!) ihre eigenen Kata zu kreieren. Das, und nur das, kann ich als Kunst bezeichnen! Wir, die wir in diesem wunderbaren Zeitalter von greifbarem Wissen, von Büchern, YouTube und anderen Möglichkeiten leben, wir sollten Künstler sein. Künstler nach dem Vorbild dieser vorangegangenen Generation…………

 

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