Kreativ! WAASS????

 

 

Kreativ? WAS???

 

Wir leben in einer Welt der Kampfkünste, die scheinbar vor Jahrhunderten festgeschrieben wurde. Eine klare Richtung wurde uns vorgegeben, ein Weg, den wir unabdingbar zu beschreiten haben, und weichen wir von ihm ab, ist es per Definition kein klassisches Budo mehr!!

 

Die Leser, die mich besser kennen, können jetzt vor lauter Lachen kaum noch vor ihrem Bildschirm sitzen. Denn auch wenn das oben geschriebene die Meinung vieler selbsternannter Traditionalisten ist, kann ich mich dieser leider so gar nicht anschließen. Oh, ein Ketzer?! Nein, ein klassischer Budo Ka!!

 

 

Die alten Meister haben uns ihre jeweiligen Stile hinterlassen, und haben dabei keine Mühen gescheut, für uns dieses Wissen zu formulieren, und (in der Regel) in Form von Kata bis heute an uns zu überliefern. Diese Arbeit kann ich nicht genug schätzen, und bin den Meistern, die dies getan haben, unendlich dankbar!

 

Dennoch haben diese Meister selbst unter verschiedenen Meistern gelernt, haben verschiedene Einflüsse gehabt, und haben sich einem langem Studium unterzogen, bevor sie ihre Stile formulierten und / oder ihnen einen Namen gaben.

 

Namen für Kampfkünste werden in Japan zumeist mit einem Zusatz bedacht: „Ryu“ (流). Wir kennen diesen Suffix aus Stilen wie Goju Ryu, Shorin Ryu oder auch aus sehr alten Schulen, wie dem Tenshin Shoden Katori Shinto Ryu. Modernere Stile haben auf diesen Zusatz teilweise gänzlich verzichtet, wie wir am Judo oder Kendo ersehen können.

 

Doch was bedeutet Ryu? Innerhalb der Kampfkünste wird es gerne einfach als Stil übersetzt. Neben „Stil“ kann es ebenso als „Manier“ oder „weg“ übersetzt werden. Und, wie ich finde besonders bezeichnend, als „Strom“, „Strömung“ oder „Fluß“! Also ist ein Ryu eine Strömung, etwas, das fließt, und, völlig anders als in den Eingangszeilen beschrieben, in Bewegung ist.

 

 

Halten wir also als eine Art „Zwischenerkenntnis“ fest: Die alten Meister haben hier und dort Ideen gesammelt, um dann etwas zu schaffen, dass in veränderlicher Bewegung ist.

 

 

Viele der alten Schulen Japans haben sich im Laufe ihrer Überlieferung massiv verändert. Einige klassische „So Bugei“, oder gesamtheitliche Stile (sie beinhalteten unter anderem das Schwertfechten, Reiten, Fechten mit Stock, Speer und Lanze, Bogenschießen, waffenlosen Kampf und den Bau von Festungen) sind bis heute teilweise zu einem reine Ju Jutsu (waffenlosen) verkümmert. Andere wiederum haben über die Jahrhunderte immer mehr Lehrmaterial in ihren Unterrichtsplan aufgenommen. Das alte Omori Ryu (eine Schule des Iai Jutsu) wäre sogar gänzlich von der Bildfläche verschwunden, wenn nicht einer der Soke entschieden hätte, diesen Stil in sein Muso Jikiden Eishin Ryu zu integrieren! Wir sehen, selbst Soke (also die eigentlichen Stiloberhäupter und Bewahrer des jeweiligen Stils) waren so flexibel, einen kompletten Stil neu zu definieren!

 

 

„Nur, weil etwas traditionell ist, bedeutet das nicht, dass man es so tun muss. Entwickle deinen eigenen Weg durch Versuch und Irrtum.“

 

                                                           Motobu Choki – Watashi no Karate Jutsu

 

 

Nun, ich sage natürlich nicht, dass wir jetzt in kreatives Durcheinander ausbrechen sollen. Im Gegenteil!! Ebenso wie die alten Meister sollten wir unseren gewählten Stil intensiv studieren. Studiert die Bewegungen, die Kata, die darin verborgenen Muster, Prinzipien und Strategien! Aber bleibt offen. Bleibt kreativ! Blickt über den sprichwörtlichen Zaun, und wägt alle nur möglichen Ideen und Umsetzungen ab. Werdet sicher, in dem was ihr tut und was euer Stil euch lehrt. Und dann, und wirklich nur dann, findet euer Karate und seit dabei so kreativ wie ihr nur könnt.

 

Dies entspricht der alten Lehrmethode Shu, Ha, Ri.

 

Leider werden diese notwendigen Phasen heute nur allzu gerne übersprungen. Es „Soket“ hier und „Hanshit“ dort, man kreiert seinen eigenen Stil, nur um möglichst den 10. Dan oder andere völlig nutzlose Dinge zu erreichen. Nun, jedem das Seine! All jenen sei versichert: So sicher, wie es keine klassische Kampfkunst ohne Kreativität geben kann, so sicher gibt es auch keine Abkürzungen!

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Bergen Michael (Samstag, 19 März 2022 06:59)

    Servus Andree, danke für deinen neuen Blog! Ich finde, dass du stets den Nagel auf den Kopf triffst. Du regst zum selbstständigen Denken an ohne zu belehren. Das gefällt mir. Schade finde ich nur, dass offenbar wenige deiner Mitglieder deine Blogs lesen. Aber man niemandem zu seinem Glück zwingen. Ich freue mich schon auf weitere Texte von dir! Liebe Grüße vom Ammersee, Michael

  • #2

    Shinshi (Samstag, 19 März 2022 12:23)

    Hallo Michael,
    vielen Dank für dein Feedback! Ja, leider kann man den Hund nicht zum jagen tragen. Aber unsere kleine Organisation steht dafür, dass wir ernsthaft an Bildung in Sachen Kampfkunst interessiert sind. Und somit komme ich mit meinen Artikel, Mini Büchern und Video diesem "Lehrauftrag" nach. Wir bieten mehr als die meisten anderen
    Verbände und Organisationen, weil wir am Wachstum unserer Mitglieder positiv teilhaben wollen. Wie immer kann ein Lehrer nur die Türe zeigen, durchgehen muss der Schüler dann immer noch selbst ;-)