Und wie trainierst du so?
Diese Frage habe ich schon oft, sehr oft gehört! Und ich habe das Gefühl, dass ich sie mit dem Alter auch immer öfter höre. Klar, die Menschen suchen einen Anhalt, einen Ratgeber, einen Trainingsplan, den sie kopieren können. Dabei vergessen sie gerne, dass es keine Blaupause dafür gibt. Kann es auch nicht, denn jeder Mensch ist unterschiedlich, der Trainingszustand ist unterschiedlich, und natürlich sind sicher auch die Ziele, die man sich selbst setzt, unterschiedlich. Ergo muss ein Trainingsplan so individuell sein, wie all diese oben genannten Kriterien eben auch.
Ein Trainingsplan ist von Haus aus ein schwieriges Thema. Vermutlich ist das der Grund, warum gerade Kampfsportler / Kampfkünstler in der Regel gänzlich auf einen Plan oder ein System verzichten. Hinzu kommt, dass in den meisten Dojo keine echte Methodik verfolgt wird, und man quasi eh ein Bisschen „in den Tag hinein“ trainiert. Ich persönlich finde das immer recht frustrierend, da diese Art der Systemlosigkeit garantiert dazu führt, dass man sich verzettelt, Zeit vergeudet und die eigene Entwicklung teilweise gänzlich vereitelt wird.
Ein Plan macht die Dinge nicht nur messbar, er macht es möglich bestimmte Dinge ganz gezielt zu trainieren, und gesteckte Ziele in einer optimierten Zeit zu erreichen. Doch dazu bedarf es in erster Linie eines ersten Schrittes: Der Zielsetzung! Und auch hier werde ich von den Kampfsportlern immer wieder überrascht, denn selbst das fehlt den meisten! Alle wollen einfach irgendwie „gut“ werden, haben sich aber nie ernsthaft die Mühe gemacht, was genau für sei denn „gut“ bedeutet. Erschreckend! Und so trainiert man in den meisten Dojo vor sich hin, nimmt es billigend in Kauf, dass die Jahre dahinplätschern, und man nach einiger Zeit entweder frustriert aufgibt und dem Kampfsport den Rücken kehrt, oder man stellt fest, dass man ja nun einfach zu alt sei, um noch etwas besonderes zu erreichen. Sagte ich es schon? Erschreckend!
Also antworte ich in der Regel auf die Frage „wie trainierst du so?“ mit einer Gegenfrage: Was sind denn deine Ziele? Schaffe ein klares Bild von deinem angestrebten Endergebnis, wohin soll dich die Reise bringen? Ja, und dabei darfst du auch immer gerne ein bisschen spinnen. Wie sagte Les Brown?
“Aim for the moon! Even if you miss, you´ll land among the stars!”
Als ich Mitte der 80er allen davon erzählte, dass ich irgendwann Europameister sein würde, haben mich alles ausgelacht! Ein kleiner Junge im Allgäu, ohne einen richtigen Trainer….. der Kleine spinnt! Als ich 1987 meinen ersten EM Titel gewann wurde allen erst richtig bewusst, wie sehr 😉
Also, setze ein klares Ziel. Wenn es verschiedene, möglicherweise unvereinbare Ziele sind, dann setze Prioritäten. Als nächstes muss man sich überlegen, welche Zwischenschritte notwendig sind, um das große Ziel am Ende der Reise zu erreichen. Man muss also planen. Je detaillierter dieser Plan aussieht, desto besser wird er funktionieren. Und wie bei einer Diät gelten auch hier zwei goldene Regeln:
1. Ausdauer ist der Weg zum Erfolg
2. Der beste Plan ist der, den man auch einhält!
Leider habe ich zu viele über motivierte Karate Ka gesehen, die einen extremen Plan erstellt haben, und es einfach gar nicht möglich war, diesen einhalten zu können.
Für mich persönlich hat sich mein Training nach meiner aktiven Wettkampfzeit massiv verändert. Verändert, da natürlich meine Zielsetzung eine völlig andere geworden ist. Früher stand der Gewinn der nächsten Meisterschaft im Fokus jedes Trainings. Heute spielt das Hochleistungsprinzip eine völlig untergeordnete Rolle. Alles hat seine Zeit, ich habe meine Prioritäten gesetzt!
Heute geht es einzig und allein um meine persönliche Entwicklung als Kampfkünstler, auch wenn ich in vielen Bereichen die Latte recht hochgelegt habe. Aber das funktioniert für mich auch, besser als für die meisten anderen. Warum? Weil ich als ehemaliger Spitzenathlet natürlich schon immer viel und hart trainiert habe, und somit natürlich eine ganz andere Grundlage mitbringe, als ein Hobby Sportler, der maximal 2 – 3 mal die Woche trainieren kann. Hinzu kommt, dass ich als „Profi“ meine Zeit entsprechend einteile, und somit auf eine relativ hohe Stundenanzahl in der Woche komme. Mein Training verläuft nach dem „Split Prinzip“, und ich daher findet mein Krafttraining am Vormittag statt, und mein Kampfsport / Kampfkunsttraining am Abend. Dies ist ein Luxus, den die meisten natürlich nicht haben, aber wie ich bereits anfangs geschrieben habe, jeder Plan ist individuell.
Für mein persönliches Training war es schon immer wichtig, dass die körperliche Komponente großgeschrieben wird. Sprich, körperliche Fitness spielt in meinem Training eine große Rolle. Ich schone mich in meinen Trainings nicht, und habe regelmäßig Einheiten, bei denen ich meine eigenen Belastungsgrenzen teste. Dies liegt zum einen daran, dass ich schon immer Spaß daran hatte, mich selbst in den Wahnsinn zu treiben, zum anderen finde ich es essentiell, dass ein Kampfkünstler jederzeit in der Lage ist, körperlich „abzuliefern“. Warum? Nun, weil der Selbstverteidigungsfaktor für mich wichtig ist, und körperliche Fitness ist in einer extremen Situation sicherlich kein Nachteil. So trainiere ich neben dem Krafttraining auch meine Kondition und natürlich meine Beweglichkeit. Letztere hat sich in den letzten beiden Jahren massiv verbessert, auch wenn viele Laien behaupten, dass Beweglichkeit mit dem Alter sehr nachlässt. Tut sie, wenn man es zulässt. Denn für Körper und Geist gilt: Use or lose it!
Da ich verschiedene Stile trainiere, sieht mein Plan derzeit wir folgt aus:
Montag Bodenkampf / Ju Jutsu
Dienstag Kobudo
Mittwoch Boxen / Kickboxen
Donnerstag Karate (derzeit liegt meine Priorität auf Kata, sowie Sanchin und Makiwara Training)
Freitag Battou Jutsu
An manchen Tagen baue ich noch zusätzliches Partnertraining ein, arbeite an meinen Flow Drills oder an der Holzpuppe. Qi Gong / Meditation betreibe ich fast täglich im Wechsel.
Je nach meinen jeweiligen Prioritäten verändere ich diesen Plan entsprechend. So kann es sein, dass ich eine Zeit lang fast ausschließlich Karate trainiere, und dabei natürlich andere Aspekte meines Trainings gänzlich vernachlässige. Auch meine Tage haben eben nur 24 Stunden.
In einem der nächsten Videos werde ich meine Training etwas genauer darstellen. Falls ihr gezielte Fragen habt, kann ich diese natürlich gerne im Video aufgreifen.